TwinBat - Digitale Zwillinge für Batterietests

Ansprechpartner: Tobias Brehler, M.Sc.

Problemstellung

Aufgrund der zunehmenden Wettbewerbsfähigkeit von Elektroautos gegenüber Fahrzeugen mit konventionellem Verbrennungsmotor und gesetzlichen Regulierungen bezüglich der Reduktion von CO2-Emissionen, verzeichnen Elektrofahrzeuge in Deutschland einen signifikanten Anstieg in den Zulassungszahlen. Mit den steigenden Zulassungszahlen nimmt auch die Variantenvielfalt der im Elektrofahrzeug eingesetzten Hochvoltbatterien zu. Beginnend auf Zellebene unterscheiden sich diese hinsichtlich des eingesetzten Zellformats, der Zellgröße und der Zellchemie. Auf Modul- und Packebene erhöhen zudem unterschiedliche Assemblierungsvarianten und Integrationskonzepte (wie z.B.: „Cell2Body“ oder „Cell2Pack“) die Anzahl der in der Praxis eingesetzten Varianten von Hochvoltbatterien.

Um die Sicherheit, Performance und hohe Garantien seitens des Herstellers zu gewährleisten, muss eine Vielzahl unterschiedlicher Tests durchgeführt werden. Im Zusammenhang mit den bereits vorhandenen und zukünftigen Traktionsbatterievarianten stellt dies einen enormen Testaufwand dar. Dieser nimmt, aufgrund der zunehmenden Variantenvielfalt, mit steigender Integrationsebene und Testdauer zu. Aus diesem Grund sind Lebensdaueruntersuchungen auf Systemebene besonders zeit- und kostenintensiv, aber trotzdem essenziell in der Auslegung und Absicherung von Hochvoltbatterien.

In einem vorangegangenen Forschungsprojekt (KIBaTest – Künstliche Intelligenz für Batterietests) wurde gezeigt, dass Messfehler die Datenqualität und damit die KI-basierte Prädiktion maßgeblich beeinflussen. Außerdem kommt hinzu, dass auf Systemebene keine rein KI-basierte Prädiktion möglich ist, da die zugängliche Datenmenge unzureichend ist. Daraus abgeleitet konnten zwei wesentliche Probleme bei langwierigen Lebensdaueruntersuchungen identifiziert werden:

  1. Die erhöhte Versuchsdauer und die komplexe Umsetzung bei langen physischen Tests bringt eine erhöhte Auftrittswahrscheinlichkeit von möglichen Fehlern bei der Messung mit sich, wodurch die Datenqualität und damit auch die Modellgüte reduziert wird. Schwerwiegende Fehler können bei zu später Fehlerdetektion zum Testabbruch oder im schlimmsten Fall zu Schäden an Testgerät oder Prüfling führen.
  2. Die hohe Variantenvielfalt an Batterien führt zu einem sehr hohen Testbedarf. Die mögliche Testumsetzung ist jedoch aufgrund der limitierten Verfügbarkeit von Testeinrichtungen und hohen Kosten eingeschränkt und sollte daher soweit möglich reduziert werden. Hierfür ist es wünschenswert, dass Simulationen den Prüfprozess begleiten, sodass dieser robuster und gleichzeitig besser planbar wird. Außerdem ist es mit aktuellen Methoden nicht möglich, verschiedene Tests zu koppeln, wodurch diese isoliert betrachtet werden müssen. Auf höheren Assemblierungsstufen stehen zudem keine ausreichenden Alterungsdaten zur KI-Modell Erstellung zur Verfügung.

Ziel

Im Rahmen des Projekts sollen die Robustheit, die Transparenz sowie die Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit des Batterie-Testings verbessert werden. Dies ist essenziell, um den Bedarf einer schnelleren Entwicklung von High-Performance Batterien zu ermöglichen.

  • Robustheit: Ein digitaler Zwilling des Batteriesystems soll den Prüfprozess begleiten und eine online Anomalie- und Fehlerdetektion ermöglichen. Im Nachgang eines Batterietests ist es oft schwierig zu identifizieren, ob ein atypisches Verhalten auf tatsächliches Zellverhalten oder auf Messfehler zurückzuführen ist. Mittels KI-basierter Methoden sollen Fehler wie vertauschte Zellen, der Drift eines Sensors, Fehler bei der Abfolge von Testplänen oder ungeplante Stillstands-Zeiten erkannt werden. Zusätzlich sollen abnormale Zellen, die sich atypisch im Vergleich zu Zellen mit ähnlichen Alterungsbedingungen verhalten, frühzeitig identifiziert und aussortiert werden. Dadurch stehen am Ende verwertbare Alterungsreihen mit validen Zellen und Testbedingungen für alle definierten Messpunkte im Prüfplan zur Verfügung.
  • Transparenz: Der Einsatz eines digitalen Zwillings ermöglicht neben den direkten Messgrößen einen tieferen Einblick in das Batteriesystem. Der Testingenieur oder Auftraggeber erhält in Echtzeit und rückblickend den Testablauf transparent dargestellt und kann mit seiner Expertise die Qualität der Testergebnisse beurteilen und ggf. einen frühzeitigen Neustart bzw. eine Wiederholung oder Änderungen einzelner Tests veranlassen.
  • Nachhaltigkeit & Wirtschaftlichkeit: Der Schwerpunkt soll auf Lebensdauertests liegen, da diese, wie im KIBaTest-Projekt gezeigt, den größten Stellhebel bieten. Durch KI-basierte Methoden kann der Prüfplan optimiert werden und Testpunkte können eingespart bzw. teilweise virtualisiert werden. Weiterhin soll der große Aufwand, der bei Tests auf Systemebene anfällt, mittels Kombination von Einzelzelltests, KI-basierten Alterungsmodellen und physikalischen Systemmodellen reduziert werden, bei einer vergleichbaren Zuverlässigkeit der Ergebnisse auf Systemebene.

Durchführung

Die beschriebenen Ziele sollen durch den Einsatz von digitalen Zwillingen erreicht werden. Diese stellen ein virtuelles Abbild der realen Batteriezellen dar. Die physischen Tests sollen mit einem digitalen Zwilling gekoppelt werden, wodurch Anomalien frühzeitig erkannt und ein damit verbundener Testabbruch verhindert werden kann. Durch eine vollumfängliche und automatisierte Fehlerdetektion kann der Testingenieur auf Fehler aufmerksam gemacht werden und diese unmittelbar beheben, wodurch die Datenqualität verbessert wird. Die verbesserte Datenqualität dient nicht nur dem Kunden, sondern auch dem kontinuierlichen Training (Online Learning) der digitalen Zwillinge, um damit KI-basierte Prädiktionsmodelle für das Alterungsverhalten erstellen zu können. Physikalisch-basierte KI-Modelle ermöglichen eine effiziente Kopplung von Tests auf Zellebene zu ganzen Batteriesystemen von der Modul- bis zur Packebene. Dabei müssen die veränderten elektrischen und thermischen Randbedingen auf Systemebene korrekt abgebildet werden. Hierfür werden thermo-elektrische Simulationsmodelle aufgebaut, da sich die thermischen und elektrischen Parameter gegenseitig beeinflussen und diese sich über die Lebensdauer verändern. Die Modelle auf Zell- und Systemebene sind also nicht statisch, sondern entwickeln sich über die Lebensdauertest dynamisch weiter, indem sowohl der digitale Zwilling auf Zellebene als auch die Testparameter der Einzelzellen angepasst werden und damit auch wieder ins Systemmodell zurückfließen. Die Prädiktion der Alterung auf Systemebene soll durch ein KI-Modell, das auf Zelldaten trainiert wurde, und über ein physikalisches Systemmodell erfolgen. Damit sollen gut prädizierbare Testpunkte des Prüfprozesses simulativ generiert werden. Um die Robustheit der Prädiktion zu steigern, werden physikalische Zusammenhänge in das Modell integriert, da einfache neuronale Netze zwar sehr genau sind, aber eine große Anzahl an Daten benötigen, die auf Systemebene nicht verfügbar sind. Zudem besteht das Risiko des „overfitting“, wodurch Zusammenhänge in den Daten gelernt werden, die nicht vorhanden oder physikalisch unplausibel sind. Reine physikalische Modelle sind hingegen aufwendig zu parametrieren und stellen keinen Vorteil hinsichtlich Testzeitverkürzung und Aufwandsreduktion dar. Eine Kombination der beiden Ansätze erscheint daher vielversprechend, um die universelle Anwendbarkeit der neuronalen Netze mit dem physikalischen Verhalten der Batterie zu verknüpfen.

Projektpartner

TÜV SÜD Battery Testing GmbH

Gefördert durch das Bayerische Verbundforschungsprogramm (BayVFP) des Freistaates Bayern (Förderlinie "Digitalisierung" ).